Für die Diagnose einer entzündlichen Polyneuropathie (oder Immunneuropathie) wie CIDP, GBS und MMN* müssen mehrere Kriterien verwendet werden, denn die Diagnose ist nicht einfach. Eine ausführliche Befragung der Patientin oder des Patienten und genaue Dokumentation der Symptome stehen am Anfang der Diagnosefindung, danach folgen elektrodiagnostische Tests. Diese Informationen zusammengenommen sind in der Regel ausreichend, um eine Diagnose zu stellen, manchmal müssen aber weitere Untersuchungen vorgenommen werden.

Klinische Kriterien

Eine detaillierte Anamnese bzw. Erfassung der Krankheitsgeschichte ist die Grundlage für die Diagnose einer entzündlichen Polyneuropathie. Dabei wird die Stärke (Qualität), die Lokalisation und der Verlauf der Symptome erfragt.

Typische Fragen sind beispielsweise:

  • Sind beide Körperseiten von den Symptomen betroffen (symmetrisch) oder nur eine Körperseite (asymmetrisch)?
  • Seit wann bestehen die Symptome? Wie haben sie sich in den letzten Wochen verändert?
  • Kann ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Infektion oder einer umfangreicheren Operation hergestellt werden?
Mehr zur CIDP-Diagnose

Elektrodiagnostische Kriterien

Elektroneurographie

Die Elektroneurographie (ENG) kann viele Informationen liefern, die bei der Diagnose einer entzündlichen Polyneuropathie (oder Immunneuropathie) hilfreich sind. Dabei wird ein Nerv, der Symptome zeigt, mit einem schwachen elektrischen Strom gereizt und aufgezeichnet, wie er diesen Reiz weiterleitet. Dies gibt Auskunft über die Funktionsfähigkeit. Dabei wird die Qualität der Reizleitung bestimmter Nerven gemessen.

Gemessen wird zum Beispiel:

  • die Verzögerung der Reizweiterleitung (Latenz)
  • die Stärke des weitergeleiteten Reizes (Amplitude)
  • die Reizleitungsgeschwindigkeit

Diese Ergebnisse geben Spezialist:innen Auskunft über das Ausmaß der Nervenschädigung und auch darüber, ob die Schädigungen in der Nervenzelle selbst vorliegen oder in der Myelinscheide.

NORMAL

frame_305

DEMYELINISIERUNG

frame_305_1

AXONALE SCHÄDIGUNG

frame_305_2

Bei Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten bedeutet eine Verlangsamung einen Hinweis auf eine Demyelinisierung (Schädigung der Markscheide). Eine Reduzierung der Amplitude ist ein Hinweis auf eine axonale Schädigung. Damit ermöglicht die Messung auch eine Unterscheidung, die Hinweise auf die Ursache der Polyneuropathie gibt.

Elektromyographie

Die Elektromyographie (EMG) zeichnet die Funktionsfähigkeit der Muskeln auf. Bei entzündlichen Polyneuropathien sind die Muskeln an sich nicht geschädigt, die Muskelschwäche beruht auf der fehlerhaften Steuerung der Muskeln durch die motorischen und/oder sensorischen Nerven. Im späteren Verlauf der Erkrankung können auch die Muskeln selbst Schaden nehmen, da sie nicht richtig benutzt werden.

Laboruntersuchungen

Liquoruntersuchung

Bei Neuropathien kann es sinnvoll sein, die Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) zu analysieren. Bei einigen Patient:innen ist die Konzentration von Eiweiß (Albumin) erhöht.

Die Entnahme des Liquors erfolgt über eine Lumbalpunktion, also einen Einstich in den unteren Teil des Wirbelkanals, denn die Hirnflüssigkeit und die Rückenmarksflüssigkeit stehen miteinander in Verbindung. Ist der Eiweißwert zunächst normal, kann 7 bis 10 Tage nach den ersten Symptomen eine zweite Liquoruntersuchung sinnvoll sein, da sich der Eiweißwert im Krankheitsverlauf ändern kann – aber dies ist nur erforderlich, wenn die anderen Befunde aus der Anamnese, klinischen Tests und der Elektrophysiologie nicht eindeutig sind.

Eine alleinige Bestimmung der Eiweißkonzentration genügt für eine Diagnose nicht, da dieser Wert ebenfalls bei symptomatisch ähnlichen Erkrankungen erhöht sein kann.

Blutwerte

Der Nachweis von Autoantikörpern gegen bestimmte Ganglioside kann zur Diagnose einer Immunneuropathie (oder entzündlichen Polyneuropathie) hilfreich sein.

Als Ganglioside bezeichnet man eine Gruppe von Eiweißen, die vor allem im Nervensystem vorkommen. Menschen mit Polyneuropathien bilden manchmal Autoantikörper gegen diese Gruppe von Eiweißen aus, die dann im Blut nachgewiesen werden können. Am häufigsten lassen sich Gangliosid-GM1-Antikörper nachweisen. Bei gesunden Menschen bildet das Immunsystem keine Antikörper gegen diese Proteine, daher kann ein Nachweis dieser spezifischen Antikörper ein Hinweis auf eine Autoimmunerkrankung sein.

CIDP, GBS und MMN: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Zur Abgrenzung der entzündlichen Neuropathien CIDP (chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie), GBS (Guillain-Barré-Syndrom) und MMN (multifokale motorische Neuropathie) werden diese Merkmale in Betracht gezogen:

Tabelle

Bildgebende Verfahren

Darunter versteht man Untersuchungsmethoden, mit denen man das Körperinnere in Bildform darstellen kann, am wichtigsten sind die Magnetresonanztomographie und Sonographie. Bei entzündlichen Polyneuropathien werden sie vor allem eingesetzt, um andere Neuropathien auszuschließen, und nur, wenn andere Befunde unklar sind.

  • Die kontrastverstärkte Magnetresonanztomographie (MRT) des Rückenmarks und der Nervenwurzeln kann Nervenschädigungen sichtbar machen.
  • Die Sonographie (Ultraschall) dient vor allem dazu, verschiedene Neuropathien voneinander abzugrenzen. Mit ihrer Hilfe lassen sich Verdickungen einzelner Nerven feststellen, die bei einer Schädigung entstehen. Da die Sonographie schmerzfrei ist, wird sie gern bei Kindern eingesetzt, sie erfordert aber sehr viel Erfahrung.

* CIDP: chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie; GBS: Guillain-Barré-Syndrom; MMN: multifokale motorische Neuropathie.

C-APROM/DE/IG/0038