Entzündliche Polyneuropathien wie CIDP, GBS oder MMN* sind nicht unbedingt behandlungsbedürftig. Ob und welche Therapie am besten geeignet ist, müssen Ärzt:in und Patient:in gemeinsam entscheiden. Die Leitlinie zur Behandlung von Polyneuropathien empfiehlt mehrere medikamentöse Therapien und Maßnahmen, die in der Regel gut wirksam sind.

Akuttherapie oder Erhaltungstherapie?

Man unterscheidet grundsätzlich die Akuttherapie und die Erhaltungstherapie. Die Akuttherapie ist kurzfristig angelegt, um Symptome zu lindern, die Erhaltungstherapie ist auf längere Zeit ausgelegt und soll die Krankheit besser kontrollierbar machen.

Akuttherapie

Eine Akuttherapie umfasst alle Behandlungsmaßnahmen (auch Medikamente), die schnell ergriffen werden, um Krankheitssymptome zu lindern. Sie wird meist eingesetzt beim ersten Auftreten von Symptomen oder bei einem sogenannten Krankheitsschub, wenn die Symptome nach einer relativen Ruhephase wieder stärker werden. Wie lange eine Akuttherapie sinnvoll ist, hängt von der Art der Symptome, der Wirksamkeit und den Nebenwirkungen ab.

Erhaltungstherapie

Bei einer langfristigen Erhaltungstherapie müssen andere Aspekte berücksichtigt werden als bei der Akuttherapie. Im Vordergrund stehen das Verhindern neuer Krankheitsschübe bzw. die Minderung von schweren Symptomen, es handelt sich also eher um eine Prophylaxe. Wichtig sind auch eine gute Langzeitverträglichkeit, denn einige Akutmedikamente haben langfristig ernste Nebenwirkungen. Eine Erhaltungstherapie wird oft über Jahre gegeben, möglicherweise auch als Dauertherapie, die ein Leben lang genommen werden muss.

Kortikosteroide-Therapie

Kortikosteroide (umgangssprachlich auch Kortison genannt) werden schon seit langer Zeit erfolgreich in vielen verschiedenen Therapiegebieten eingesetzt und haben auch bei CIDP ihre Wirksamkeit bewiesen. Sie wirken stark entzündungshemmend und unterdrücken die überschießende Reaktion des Immunsystems.

Kortikosteroide werden oft in der akuten Phase (Akuttherapie) in hohen Dosierungen verabreicht, um eine möglichst rasche Reduktion der Symptome zu erzielen. Ist eine dauerhafte Erhaltungstherapie notwendig, erfolgt in der Regel eine niedrigere Dosierung. Bei längerfristiger Einnahme (Erhaltungstherapie) von Kortikosteroiden ist das Osteoporose-Risiko deutlich erhöht, daher muss vor Therapiebeginn eine Osteoporose-Prophylaxe gestartet werden. Insgesamt sollten bei einer längerfristigen Kortikosteroid-Behandlung die Nebenwirkungen sehr sorgfältig gegen den zu erwartenden Nutzen abgewogen werden.

Kortikosteroide sind gut wirksam bei CIDP, bei GBS und MMN wirken sie dagegen nicht.

Immunglobulin-Therapie

Immunglobuline (Ig) haben eine gute Wirksamkeit bei entzündlichen Polyneuropathien bewiesen und werden in den Therapieleitlinien für CIDP, GBS und MMN empfohlen. Sie können intravenös (IVIG) oder subkutan (SCIG) verabreicht werden. Bei beiden Zubereitungen sind die Ig die gleichen, sie unterscheiden sich nur durch ihre Zusatzstoffe und die Art, wie sie verabreicht werden. IVIG können in der Akut- und der Erhaltungstherapie eingesetzt werden, SCIG werden ausschließlich in der Erhaltungstherapie eingesetzt.

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Was sind Immunglobuline?

Immunglobuline, auch Antikörper genannt, sind Teil des Immunsystems zur Abwehr körperfremder Stoffe wie Viren und Bakterien. Therapeutische Immunglobuline werden aus Blut- oder Blutplasmaspenden gewonnen und in einem technisch aufwendigen Verfahren aufgereinigt. Immunglobuline wirken bei CIDP, GBS und MMN als Immunmodulatoren, das heißt, sie wirken regulierend und korrigierend auf das aus den Bahnen geratene Immunsystem ein. Sie können darüber hinaus die Autoantikörper gegen die Myelinscheiden neutralisieren.

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Intravenöse Immunglobuline IVIG

IVIG werden erfolgreich sowohl in der Akut- als auch der Erhaltungstherapie von Polyneuropathien eingesetzt.  In der Akutphase wird eine höhere Dosis als Infusion über 2–4 Tage verabreicht, in der Erhaltung kann die Dosis erniedrigt werden und eine Infusion ist dann nur noch etwa alle 3 Wochen notwendig. Dosierung und Infusionsintervall können von Patient:in zu Patient:in sehr unterschiedlich sein, sodass die Therapie individuell angepasst werden muss.

IVIG können nur im Krankenhaus oder einer spezialisierten Praxis verabreicht werden, was eine erhebliche Belastung für die Patient:innen bedeutet.

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Subkutane Immunglobuline SCIG

Subkutane Immunglobuline haben bei CIDP und MMN eine vergleichbar gute Wirksamkeit wie IVIG in der Erhaltungstherapie gezeigt. Anders als bei IVIG können jedoch Patient:innen nach einem kurzen Training die Infusion selbstständig und zu Hause durchführen.

IVIG können nur im Krankenhaus oder einer spezialisierten Praxis verabreicht werden, was eine erhebliche Belastung für die Patient:innen bedeutet.

Wie werden subkutane Immunglobuline angewendet?

Dazu werden die Immunglobuline über eine Kanüle mit Hilfe einer Pumpe in das subkutane (Unterhaut-)Fettgewebe (in der Regel im Bereich des Bauches oder der Oberschenkel) infundiert, von wo sie allmählich in das Blut aufgenommen werden. Hierdurch ergibt sich in der Regel ein milderes Nebenwirkungsprofil verglichen mit der intravenösen Immunglobulin-Gabe (IVIG).

Für die Patient:innen bedeutet die Therapie mit subkutanen Immunglobulinen (SCIG) insgesamt mehr Selbstbestimmung, da die Gabe nach vorheriger Schulung durch medizinisches Fachpersonal von den Patient:innen selbstständig zu Hause durchgeführt werden kann.

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Plasmapherese

Die Plasmapherese wird umgangssprachlich auch Blutwäsche genannt. Sie wird zumeist bei einer akuten Verschlechterung eingesetzt oder wenn Kortikosteroide und Immunglobuline keine Wirkung zeigen.

Bei der Plasmapherese wird das Blut abgeleitet und aufgereinigt. Dabei werden die Autoantikörper gegen die Myelinscheiden größtenteils herausgefiltert, aber auch andere Komponenten des Immunsystems. Danach wird die Blutaufbereitung wieder zurückgeführt zusammen mit Blutplasma von menschlichen Spendern.

Dieser Prozess dauert mehrere Stunden, ist für den Körper sehr anstrengend und kann nur in einer spezialisierten Klinik durchgeführt werden. Allerdings ist die Wirkung der Plasmapherese nur von kurzer Dauer und muss regelmäßig wiederholt werden. Sie ist also zur Dauertherapie nicht gut geeignet.

* CIDP: chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie; GBS: Guillain-Barré-Syndrom; MMN: multifokale motorische Neuropathie.

C-APROM/DE/IG/0038